27.02.2024 von Jens Tanz
Der Mercedes-Benz 300 SL „Gullwing” gilt als eines der schönsten Autos der Welt. Das ikonische Supercar mit den Flügeltüren hat die späten 50er Jahre ordentlich aufgewühlt und feiert dieses Jahr seinen 70. Geburtstag!
27.02.2024 von Jens Tanz
Der Mercedes-Benz 300 SL „Gullwing” gilt als eines der schönsten Autos der Welt. Das ikonische Supercar mit den Flügeltüren hat die späten 50er Jahre ordentlich aufgewühlt und feiert dieses Jahr seinen 70. Geburtstag!
Über den legendären Mercedes-Benz 300 SL ist schon alles gesagt oder geschrieben worden. Seine charakteristische Form findet man auf T-Shirts, Kaffeebechern und Werbetafeln, in zeitgenössischen Filmen fahren Stars und Sternchen das Coupé über die Leinwand. Dieser Kultstatus war nicht von Anfang an geplant! Rennsporterfolge des 1952er 300 SL (W 194) zum Beispiel beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans (durch Hermann Lang und Fritz Riess) oder der Sieg der Carrera Panamericana (mit Karl Kling und Hans Klenk) sorgte weltweit für Aufsehen. Deshalb wünschte sich der US-amerikanische Importeur von Mercedes-Benz-Fahrzeugen Max Hoffmann solche sportlichen Fahrzeuge für den amerikanischen Markt und konnte den Daimler-Benz Vorstand überzeugen.
Auf Basis des Rennsportwagens entstanden in nur sechs Monaten Entwicklungszeit eine Straßenversion des 300 SL und ein kleinerer Roadster, der 190 SL. Beide wurden auf der „International Motor Sports Show“ in New York im Februar 1954 vorgestellt und lösten weltweit Begeisterung aus. Im August begann im Werk Sindelfingen die Serienfertigung und die teilweise Anpassung für den nordamerikanischen Markt.
Der nur 80kg schwere Gitterrohrrahmen des 300 SL wurde mit Stahlblech beplankt, wobei die Motorhaube, die Kofferraumklappe, die Schweller und die Türhäute aus Aluminium gefertigt wurden. Gegen Aufpreis konnte das ganze Fahrzeug mit einer Aluminiumhaut bestellt werden. Von dieser rund 80kg leichteren Vollaluminium-Variante gibt es nur 29 Stück, ihre Preise liegen heute bei mehreren Millionen Euro. Die Konstruktion des Rahmens verhinderte wegen der Breite der Schweller herkömmliche Türen – deshalb entschied man sich für die charakteristischen, am Dach angebrachten Flügeltüren („Gullwings“).
Bei aller Idealisierung dieser Sportwagenlegende wird oft vergessen, dass der Mercedes-Benz 300 SL ein technisches Meisterwerk seiner Zeit war. Der um 45 Grad geneigte 3-Liter Sechszylindermotor M 198 war weltweit der erste mit Benzindirekteinspritzung! Die 215 PS beschleunigten den Wagen, je nach Hinterachsübersetzung, bis auf sagenhafte 260 km/h und machten den 300 SL zum schnellsten Serienfahrzeug seiner Zeit! Langsamer wurde man mit einem Tritt auf die 26cm Trommelbremsen, die erstmals im PKW Serienbau mit einem Bremskraftverstärker unterstützt wurden, der mit Unterdruck aus dem Saugrohr arbeitete.
Steht man vor einem echten Exemplar dieses Sportwagens, von dem nur 1.400 Stück gebaut wurden, ergreift einen Ehrfurcht. Und gleich danach kommt die Frage, wie man denn da überhaupt reinkommen soll? Ah. Die Flügeltür lässt sich über die versenkten Griffe gut anheben, das Lenkrad klappt man beim Einsteigen an der Nabe nach hinten weg. Rechtes Bein, dann das linke hinterher, zurücklehnen, Lenkrad aufrecht stellen – passt wie angegossen. Die Mercedes-Benz Teststrecke in Immendingen inklusive Steilkurve ist frei, die Beifahrerin gut gelaunt und furchtlos – dann kann es losgehen.
Der Motor zündet kernig und kraftvoll. Das Einlegen der Gänge ist etwas ungewohnt, aber der gut am Gas hängende Sechszylinder zieht den Wagen wie am Gummiband nach vorn. Mit reiner Muskelkraft dreht man am dünnen Lenkrad, das ohne Servounterstützung auf die Kugelumlauflenkung wirkt. Im vierten Gang geht es rasant voran, niemand würde hier drin glauben, dass der Wagen fast 70 Jahre alt ist! Das Triebwerk und der Wind halten sich geräuschlich die Waage. Auf den Geraden und in den langen Kurven ist das Handling exakt und leicht. 1955 nahm Mercedes Benz zum ersten Mal mit diesem Modell an der Mille Miglia teil. Daher gibt es nun im Modell-Handel die Mille Miglia 417 Special Edition. Die Nummer 417 ist eine Hommage an die Startzeit des Autos bei der Mille Miglia 1955. Um exakt 4 Uhr und 17 Minuten startete der Amerikaner John Fitch von Brescia nach Rom und belegte den 5. Gesamtplatz.
Der Mercedes-Benz 300 SL Flügeltürer ist ein reinrassiger Sportwagen. So etwas wie einen Kofferraum gibt es faktisch nicht, unter der Klappe liegt über dem großen Tank das Reserverad. Für Koffer und Taschen gibt es einen Platz hinter den Sitzen, dann kann man allerdings durch den auf dem Armaturenbrett angebrachten Rückspiegel nichts mehr sehen. Und wehe, die Sonne scheint. Die werksseitige Klimaanlage besteht aus seitlichen Dreiecksfenstern und einer mechanischen Klappe unter der Frontscheibe. Wenn es ganz arg kommt, lassen sich die Seitenscheiben ganz herausnehmen und hinter den Sitzen verstauen. Wenn da keine Koffer stehen. Aber niemand wird einen 300 SL kaufen, um sich von Platz und Plüsch umschmeicheln zu lassen.
In Deutschland weiß man von rund 500 Exemplaren, aber was noch in den Scheunen steht kann niemand prognostizieren. Wegen der hohen Preise sind auch immer wieder inoffizielle und betrügerische Repliken am Markt, sodass zwischenzeitlich geunkt wurde, inzwischen seien mehr 300 SL auf der Welt unterwegs als je gebaut wurden.
Schon damals konnten sich nur sehr wenige Menschen einen Gullwing leisten. Das Jahresbruttoeinkommen eines deutschen Arbeiters lag 1954 mit einer 48-Stunden-Woche bei rund 4.500 Mark. Dafür bekam man einen VW Käfer Standard. Der gängige Mercedes 170 Vb kostete schon 7.900 Mark, für einen 300 SL musste man 29.000 Mark auf den Tresen legen. Durch den Legendenstatus, die steigende Freude an der Oldtimerei und letztendlich auch durch die nur 1.400 produzierten Exemplare, von denen rund 1.100 Stück in die USA exportiert und teilweise wieder zurückgeholt wurden, sind die Preise in die Höhe gestiegen. Sechsstellige Summen erzielen nur noch desolate Scheunenfunde, die es immer wieder gibt. Ein gutes, restauriertes Exemplar kostet inzwischen rund 1,5 Millionen Euro.
Der 3-Liter Sechszylindermotor M 198 mit Benzindirekteinspritzung entwickelt 200 PS, mit der Sportnockenwelle (die fast alle Kunden bestellten) 215 PS.
Vom Flügeltürer Coupé wurden zwischen 1954 und 1957 genau 1.400 Stück gebaut. Von 1957 bis 1963 wurden vom offenen 300 SL Roadster, dem Nachfolger des Gullwings, weitere 1.858 Stück gefertigt.
Der Mercedes-Benz 300 SL „Gullwing“ (den man in Frankreich übrigens „Papillon“ nennt) ist eher als Wertanlage für gut situierte Autoliebhaber zu sehen. Ein Kunstwerk unter den Supercars, für Normalverdiener leider unerreichbar. Trotzdem ist es legitim, ihn zu bewundern, seine Form, seine Technik und seine zeitlose Schönheit. Wenn man die Gelegenheit hatte, einen zu fahren, ist auch ein Flügeltürer am Ende ein Auto mit vier Rädern, einem Motor vorn, dem Antrieb hinten und einem Lenkrad auf der linken Seite. Aber eben ein ganz, ganz besonderes. Das Herzklopfen hält danach noch lange an. Ob als Wertanlage für gut situierte Autoliebhaber oder als Inspiration für Ihre nächste Kunst- und Sammlerstücke, der Mercedes-Benz 300 SL bleibt unvergessen.
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Motor: | Reihe 6 |
Hubraum: | 2.996 ccm |
Leistung: | 215 PS bei 5.800 1/s |
Max. Drehmoment: | 274 Nm bei 4.600 1/s |
Getriebe: | Viergang manuell |
Antrieb: | Hinterachse |
L/B/H in mm: | 4.520/1.790/1.300 |
Leergewicht: | 1.295 kg |
0-100 km/h: | 7,9 s |
Höchstgeschwindigkeit: | bis zu 260 km/h |
Verbrauch: | 15 l/100 km |
Bauzeit: | 1954-1957 |
Stückzahl: | 1.400 |
Preis 2024: | ca. 1.500.000€ |
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Bilder: © Jens Tanz, Sandmanns Welt, und Mercedes-Benz
ist Motorjournalist & Social Media Manager und lebt leidenschaftlich die Autos der 70er aus dem Straßenbild seiner Kindheit. Im Netz ist er als „Sandmann“ unterwegs und schraubt und schreibt sowohl über die eigenen Erlebnisse mit seinen Oldtimern als auch markenübergreifend über andere Oldtimer und ihre Menschen. Hier geht es zu Jens´ Blog:
20.12.2023, 08:15
In den 1960er Jahren bezahlten der deutsche Arbeitnehmer und der deutsche Firmenboss ihr Auto bar. Leasing oder 0%-Finanzierungen waren noch nicht erfunden, ein Mercedes-Benz galt schon deshalb als klassisches Statussymbol. Die damalige Oberklasse hat heute nichts von ihrem Charme und Luxus verloren. Wir haben mit dem Topmodell Mercedes-Benz 280 SE 3.5 Cabriolet von 1971 eine Tour gedreht.
Gastautor
12.01.2022, 18:10
Ein mächtiger 5,6 Liter V8 in einem Mercedes-Benz – in Europa war der für dieses Fahrzeug nicht zu bekommen. Der Wagen verrät seine amerikanische Herkunft durch die dicken Bumper, und er hat weniger Laufleistung als so mancher Jahreswagen. Zwei Freunde überführen den exotischen Mercedes 560 SL der Baureihe R 107 vom Händler in die Werkstatt, wo er aufgearbeitet und zum Kunden ausgeliefert wird. Ein Ersthand-Roadster mit Hardtop, der im Stuttgarter Hafen ohne Sprit liegenbleibt!
Gastautor
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