Chrysler 300 Convertible: Three Hundred non Letter

02.11.2021 von Jens Tanz

Bei Chrysler gab es seit 1955 jedes Jahr einen anderen Buchstaben hinter der Modellbezeichnung. Von 1962 – 1971 ließ man diese Alphabetisierung modellbezogen weg. Auch Enno fehlt dieser Buchstabe bei seinem extrem seltenen 300 2-Door Chrysler Convertible, also fährt er zurück zum Ort, wo er vor vielen Jahren das Alphabet lernen musste. Zum Internat und dem Gymnasium am See. Ich steige zu ihm in das gewaltige Auto mit ein und will mal hören, ob’s auch ohne ABC geht.

Crysler Convertible Oldtimer im Portrait

Chrysler 300 Convertible: Ein Fremdling im Idyll

Das flache rote Chrysler Oldtimer-Cabrio ist ein Fremdling in der beschaulichen Kulisse von Plön in Schleswig-Holstein. Ein herbstlicher Mantel hat sich über den Schlossberg gelegt und bedeckt mit trockenen Blättern die Kleinstadtidylle. Man fährt hier Volkswagen Passat, 5er BMW oder E-Klasse in gedeckten Farben. Der langsam den Berg hochkriechende amerikanische „Three Hundred“ wirkt deplatziert, er ist riesengroß, laut, bunt und in jeder Hinsicht unvernünftig. Ganz anders als die Plöner. Er passt zu Enno.

Crysler Convertible Oldtimer im Portrait

Lücken finden

Heute kehrt er zurück an den Ort, wo die Sozialisierung begann, bevor er erwachsen wurde. Internatsleben bedeutete, das damalige Internat Schloss Plön mit 160 mehr oder weniger wilden Menschen zu teilen, sich anzupassen und die richtigen Lücken zu finden. Gewohnt wurde im Schloss, unterrichtet wurde im fußläufig erreichbaren, altehrwürdigen Gymnasium unten am See. Ein fest vorgegebener beaufsichtigter Tagesablauf, streng getrennt von den Mädchen drüben im zierlichen Prinzenhaus und immer mit dem Leistungsdruck des zu erreichenden Abi 90 im Nacken. Vielleicht waren es diese engen Schubladen, die Enno schon immer zu Autos greifen ließen. Autos, die eine Seele haben. 

Enno war begeistert von der Kraft, der Größe und der Lautstärke alter automobiler Dinosaurier – irgendwie musste es nun endlich mal ein Ami sein. Die begehrten Klassiker 1968/69er Dodge Challenger und Charger rangierten preislich schon an der Oberkante und schossen über den Orbit hinaus, als der Wunsch seiner lieben Ehefrau auf den Plan kam, es möge doch bitte ein Cabrio werden. Enno rückte also den Focus auf ein Mopar Full size Car und verliebte sich immer mehr in den Chrysler 300 Convertible.

Chrysler Letter Series

Mit dem C-300 warf Chrysler 1955 sein leistungsstärkstes Modell (mit dem schweren New Yorker als Basis) auf den Markt. Der Hemi V8 entwickelte die namensgebenden 300 PS und war das stärkste amerikanische Serienfahrzeug der damaligen Zeit. Seitdem verwendeten die Jungs aus Michigan jedes Jahr einen anderen, aufsteigenden Buchstaben als Modellbezeichnung, was der Serie den Beinamen „Letter Cars“ gab.

Nahaufnahme des hinteren Teils eines klassischen Autos mit der Modellnummer "300" auf einer schwarz lackierten Oberfläche

Chrylser 300 non-letter series

Ab 1962 baute man parallel ein preiswerteres Einstiegsmodell mit anderen Motoren und weniger Ausstattung auf Basis des leichteren Chrysler Windsor. Diese Fahrzeuge erkannte man daran, dass sie diese Buchstaben nicht in ihren Modellbezeichnungen trugen und nannte sie bis 1971 die „Non letter series“. Nur im Modelljahr 1968 hatte der Three Hundred die markante spitze Nase und die hidden Head Lamps – so ein Chrysler 300 Convertible sollte es für Enno werden. 

Passt in keine Lücke

Gesucht – gefunden. Ein roter Chrysler 300 2-Door fand im November 2011 seinen Weg über Lille nach Deutschland. Die riesige rote Wanne konnte schnell auf den deutschen Straßenverkehr umgerüstet und zugelassen werden und schrieb schon bei ihrer ersten Ausfahrt Geschichte: Die Verabredung mit einem Freund aus der Mopar-Szene zur gemeinsamen Fahrt an die Oldtimer-Tankstelle in Hamburg endete während eines unachtsamen Moments mit einem heftigen Auffahrunfall, bei dem der Chrysler den Wagen des Freundes am Heck brutal kalt verformte. Zum Glück wurde niemand verletzt. Aber das wirft Fragen nach dem richtigen Versicherungsschutz für eure Oldtimer auf. Klickt doch mal auf die Seite von Hiscox und stöbert ein bisschen! Was für ein ungewöhnlicher Saisonauftakt. Der Chrysler Three Hundred passt genau wie sein Besitzer eben quasi in keine Lücke. 

Chrysler 300 Convertible Seitenansicht

Alles ist anders: Die Besonderheiten des Chrysler 300 Convertible

Denn Lücken finden ist heute genauso schwer wie damals. Das den Schlossberg erklimmende amerikanische Automobil ist mit seinen 5,6 Metern Länge genau so wenig anpassungsfähig wie sein Fahrer, und der ehemals eher liberal geführte Internatsbetrieb ist den strengen Hausregeln der Fielmann Akademie gewichen. Als der Chrysler vor dem gewaltigen schmiedeeisernen Tor zum Stehen kommt, drehen sich sofort zwei Kameras und zwei freundliche, aber entschlossen guckende Herren der Security zu ihm um.

Oh. Alles ist anders. Das auffällige Auto und eine gewisse charmante Wortgewandtheit öffnen überraschend Ex-Internatler Enno und seinem Chrysler 300 Cabrio diese Lücke. Sowohl das Tor als auch die normalerweise abgeschlossene grobgliedrige Kette, hinter der der Ehrenparadeplatz liegt werden aufgeschlossen. Wir dürfen rein!

Der Big Block raunt tief, und sein gesunder Bass hallt von den reinweißen Schlosswänden wider. In den beiden Wintern nach dem Kauf hat der Wagen diverse Umbauten und Verbesserungen erfahren. Das gesamte Fahrzeug, alle Falzkanten und sämtliche Hohlräume sind mit dem TIMEMAXX Fett-Verfahren großzügig versiegelt worden. Der Motor wird auf eine kontaktlose Zündung von Mallory umgerüstet und erhält komplett neue Schalldämpfer, ein Hochleistungskühlernetz und einen Ölkühler. Die Blattfedern werden ausgetauscht und die Sitze neu aufgepolstert.

Details und Herausforderungen des Chrysler 300 Cabrios

Jeder, der schon einmal ein amerikanisches Auto restauriert hat wird ein Lied von den schwer zu reparierenden und so gut wie nicht zu bekommenden Instrumenten singen können. Allein um den Tageskilometerzähler wieder in Betrieb nehmen zu können muss Enno sieben! komplette Kombiinstrumente kaufen. Die analoge Uhr tickt wieder, das Licht wird in diesem Zuge gleich auf Relaissteuerung umgebaut. Das originale 8-Track Radio hinterlässt momentan ein großes Loch im Holzfurnier, das befindet sich noch auf dem OP-Tisch. Überhaupt macht die Elektrik manchmal, was sie will, das wird im nächsten Winter mit einem komplett neuen Kabelbaum beseitigt. Habt ihr schon auf den Hiscox Link geklickt? So eine Oldtimerversicherung beruhigt doch ungemein… Bei schönem Wetter macht gern mal die ganze Familie einen schönen Ausflug mit offenem Dach. Und die Kaffeepausen werden dann so getaktet, dass der Motor nicht heiß gestartet werden muss. Das mag er nicht, da spielt er manchmal nicht mit…

Chrysler 300 Convertible Panorama

Hier ist es gewesen

Enno zeigt vom Hof aus das Zimmer, in dem er seine Jahre verbracht hat und setzt sich auf die Mauer, wo er damals immer gesessen hat. Der Chrysler läuft im Standgas, lieber jetzt nicht ausmachen, die Security guckt schon ein bisschen nervös und wir sollten langsam trotz aller entgegengebrachter Toleranz mal wieder verschwinden. Dorthin, wo früher die fehlenden Buchstaben gelehrt wurden.

Auf dem Schulhof ist alles anders als früher. Enno läuft schweigend über den Kies bis runter an den See. Der hölzerne Marterpfahl mit der Inschrift „ABI 90“ ist weg, wo er mal war steht nun eine riesige Wellblechbude – die neue Turnhalle. Die große runde Uhr über dem Haupteingang tickt gnadenlos und unmissverständlich. Sie kündigt den Beginn des Unterrichts an, das Ende der Pause und irgendwann für jeden auch das Ende der Schulzeit. Danach beginnt der Ernst des Lebens und einige andere Enden. 

Enno schließt surrend das elektrische Verdeck, auch geschlossen macht der Chrysler 300 Cabriolet eine gute Figur. Er fährt ihn auf das schwarze Pflaster in die „Oberstufenecke“, wo immer die Großen standen. Wer sich anstrengt, der findet seine Lücken, selbst mit einem 5,6 Meter Schiff ohne Buchstaben in der Modellbezeichnung. Enno blickt von Pathos ergriffen auf sein Auto, das jetzt vor einer sich ständig verändernden Kulisse steht, die er mit der schönsten Zeit seines Lebens in Verbindung bringt. Niemand hat behauptet, es würde einfach werden. 

Nachruf

Ich bin froh, viele Jahrzehnte nach unserem Abitur in Plön mit Enno diese kleine Reise in einem großen Auto gemacht zu haben. Es ist ein Stück gemeinsame Vergangenheit, die uns niemand mehr nehmen kann. Enno verstarb am 19. Januar 2021 und hinterlässt bei seiner Familie und uns allen genau diese Lücke, in die er nie reinpassen wollte. Lebe wohl, lieber Freund. Du wirst immer ein Teil von uns sein. 

Chrysler 300 Convertible Fahrzeugdaten im Überblick

Baujahr:1968
 Wert:ca 25.000 Euro
Leergewicht:1.935 kg
Länge/Breite/Höhe:5.631/1.990/1420 mm
Getriebe:Dreigang-Automatik Torqueflite 720
Antrieb:Hinterräder
Motor:V8 Big Block
Hubraum:7,2 Liter
Leistung:355 PS bei 4400/min
Max. Drehmoment:650 Nm bei 2800/min
Beschleunigung 0-100 km/h:8,1 s
Top Speed:190 km/h

Chrysler 300 Convertible Bilder

  • Innenansicht eines klassischen Autos mit Fokus auf das Lenkrad und das Armaturenbrett, inklusive zusätzlicher Messinstrumente unterhalb des Armaturenbretts

    Innenraum

    Der Innenraum des Chrysler 300 Oldtimer Cabrios bietet eine luxuriöse und komfortable Atmosphäre, geprägt durch großzügige Ledersitze, hochwertige Verarbeitung und genügend Raum, um auch bei offenem Verdeck eine entspannte Fahrt zu genießen.

  • Chrysler 300 Convertible Motor

    Motor

    Der Chrysler 300 Convertible wird häufig von einem mächtigen V8-Motor angetrieben, der mit seinem satten Drehmoment und seiner beeindruckenden Leistung für ein kraftvolles Fahrerlebnis sorgt, das perfekt zu dem eleganten und selbstbewussten Charakter des Cabriolets passt.

  • Nahaufnahme des vorderen Teils eines roten Chrysler mit eingeschaltetem Scheinwerfer und deutlich sichtbarem Markenlogo

    Front

    Die Front des Chrysler 300 Convertible zeichnet sich durch ein markantes Design mit einem breiten, charismatischen Kühlergrill und auffälligen Scheinwerfern aus, die dem Fahrzeug eine imposante Präsenz und einen Hauch von Luxus verleihen.

Jens Tanz, Gastautor

Gastautor: Jens Tanz

ist Motorjournalist & Social Media Manager und lebt leidenschaftlich die Autos der 70er aus dem Straßenbild seiner Kindheit. Im Netz ist er als „Sandmann“ unterwegs und schraubt und schreibt sowohl über die eigenen Erlebnisse mit seinen Oldtimern als auch markenübergreifend über andere Oldtimer und ihre Menschen. Hier geht es zu Jens´ Blog: 

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