CEO-Digital-Kolumne: Will die Versicherungsbranche Follower oder Gestalter sein?

07.02.2025 von Markus Niederreiner, CEO von Hiscox Deutschland 

Die Digitalisierung birgt nicht nur unglaubliches Potential für den technischen Wandel, sondern auch als Motor für Wachstum und Innovation. Dafür muss unsere Branche aber deutlich mutiger werden, ihre oft komplett veralteten IT-Kernsysteme modernisieren und nicht zuletzt die digitale Transformation tief in der Unternehmenskultur verankern und leben. Wer dies aufschiebt, läuft Gefahr, abgehängt zu werden und statt ein aktiver Gestalter lediglich ein “Follower” unseres digitalen Zeitalters zu sein – mit entsprechend drastischen Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit. 

Markus Niederreiner - Managing Director von Hiscox Deutschland

„Die Digitalisierung wird unsere Welt radikal verändern, und wir müssen sicherstellen, dass wir ihr gewachsen sind.“ Dieses Zitat unserer Altbundeskanzlerin Angela Merkel hat auch nach Jahren nichts von seiner Relevanz verloren. Die digitale Transformation ist längst nicht mehr „Neuland“, sondern „alternativlos“. Sie verändert nicht nur, wie wir leben und arbeiten, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit ganzer Branchen – auch der Versicherungswirtschaft. Doch viele Versicherer tun sich schwer, die Chancen der Digitalisierung ergebniswirksam zu nutzen. Mangelnde Konsequenz bringt jedoch die Gefahr mit sich, den Anschluss zu verlieren. 

Die Herausforderung: Überholte Infrastrukturen und Innovationskraft

Die große Herausforderung in der Versicherungswirtschaft liegt in der Entkopplung des Prämienwachstums vom Kostenwachstum – und hier spielt die Digitalisierung eine zentrale Rolle. Die Fähigkeit, Prozesse durch neue Technologien zu automatisieren sowie Data Analytics für eine präzisere Risikobewertung und Unternehmenssteuerung zu nutzen, um schnell auf Marktveränderungen zu reagieren und Effizienzgewinne zu erzielen, wird zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor.  

Die Rahmenbedingungen sind sicherlich nicht die einfachsten. Neben hohen regulatorischen Anforderungen liegt das größte Hindernis meist im eigenen Haus, wenn es darum geht, neue technologische Möglichkeiten zu integrieren: alte Kernsysteme, darum herum gewachsene Infrastrukturen und fragmentierte Prozesse. Zwar attestieren sich 80 Prozent der Versicherer in der aktuellen Lünendonk-Studie zur Digitalisierung in der Versicherungswirtschaft einen hohen Digitalisierungsgrad an der Kundenschnittstelle und in den Backoffice-Prozessen. Nur 4 Prozent bewerten allerdings im gleichen Atemzug ihre Innovationskraft als sehr ausgeprägt. Dieser Widerspruch ist nicht nur ein Hinweis auf die geringe Geschwindigkeit der Veränderung – er ist auch ein Risiko für die Wettbewerbsfähigkeit der Branche. 

Warum Digitalisierung viel mehr als ein „Kratzen an der Oberfläche” sein muss

Der Vertrieb von Versicherungsprodukten wird zwar zunehmend digital unterstützt, doch die zugrundeliegenden Kernsysteme bleiben oft unangetastet. Das ist, als würde man ein marodes Haus einfach nur mit neuer Farbe streichen. Die wahre Herausforderung liegt im Kern der Systeme und der Organisation. Überholte Legacy-Systeme, die schwer zu integrieren und nicht flexibel genug sind, können nur mit erheblichem Aufwand an die Anforderungen der digitalen Ära angepasst werden.  

Ohne die Erneuerung der Kernsysteme bleibt die Digitalisierung fragmentiert und ineffizient. Prozesse vom Underwriting über die Vertragsverwaltung bis in die Schadenbearbeitung müssen vollständig digitalisierbar sein. Dies gelingt nur, wenn die zugrundeliegende Infrastruktur flexibel und datengetrieben aufgebaut ist, um den gesamten Lebenszyklus einer Police abzubilden. Versicherer müssen ihre Geschäftsmodelle und Systeme grundlegend anpacken und nicht nur an der Oberfläche kratzen.

Digitalisierung ist kein Projekt, sondern eine Haltung

Digitalisierung ist kein Projekt mit definiertem Enddatum, sondern eine Haltung, die in jeder Ebene des Unternehmens verankert sein muss. Dabei geht es nicht nur um Technologie, sondern auch um die Veränderung von Prozessen und Denkweisen. Eine erfolgreiche digitale Transformation erfordert daher weit mehr als nur IT-Investitionen – sie braucht eine Veränderung der Unternehmenskultur.  

Teams müssen den Mut haben, alte Strukturen zu hinterfragen und Innovation als langfristige Notwendigkeit zu begreifen. Digitalisierung kann nicht isoliert in IT-Abteilungen behandelt werden, sondern muss in allen Bereichen des Unternehmens integriert sein. Weiterentwicklung ist eine fortwährende Verpflichtung. 

Wer die Digitalisierung als Chance begreift, kann nicht nur vom technologischen Wandel profitieren, sondern ihn als Treiber für profitables Wachstum und Innovation nutzen. Dazu müssen Versicherer den Mut aufbringen, am Kern anzusetzen und die notwendige digitale Transformation strukturell und kulturell zu verankern.  

Denn wer diese ohne Frage herausfordernde Transformation der Kernsysteme und der Organisation vor sich herschiebt, riskiert, mit „digitaler Kosmetik“ den Anschluss zu verlieren und sich als „Follower“ der digitalen Ära zu positionieren statt als aktiver Gestalter.  

 

Hinweis: Dieser Text ist zuerst in dem Fachmedium “Versicherungsmonitor” erschienen.  

Markus Niederreiner, der CEO von Hiscox Deutschland, trägt einen schwarzen Anzug, schwarze Brille und ein weißes Hemd.

Autor: Markus Niederreiner, CEO von Hiscox Deutschland

Bevor er im September 2021 CEO von Hiscox Deutschland wurde, war Markus Niederreiner in der Geschäftsführung der BNP Paribas in Österreich und Deutschland tätig. Der Diplom-Betriebswirt und MBA verantwortete zuvor leitendende Funktionen bei der Allianz und realisierte für internationale Beratungen Skalierungs- und Transformationsprojekte im Fintech- und Finanzmarktumfeld. Er verfügt somit über eine umfassende Expertise im Bereich Digitalisierung von Geschäftsprozessen.

 

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