Als Handwerker von einem Auftrag zurücktreten

05.02.2025 von Marc Thamm

Die oberste Leitlinie im Vertragsrecht lautet: Pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten. Das gilt auch für Handwerker und deren Kunden. Und dennoch kommt es vor, dass ein Handwerker vom Auftrag zurücktreten möchte. Welche Gründe zu einem Rücktritt vom Handwerkervertrag führen können, welche rechtlichen Grundlagen bestehen und mit was für Folgen zu rechnen ist: wir klären Sie umfassend auf. Ebenso zeigen wir Ihnen, wie Sie als Handwerker in einem solchen Fall bestmöglich mit dem Kunden kommunizieren können und welche Alternativen es zu einem Rücktritt vom Handwerkervertrag gibt.

Zwei männliche Handwerker n Schutzkleidung mit Schutzbrillen stehen sich in einer Werkstatt gegenüber und geben sich einen Handschlag. Die Sägespähne fliegen durch die Luft und die Sonne scheint durch das Fenster.

Warum tritt ein Handwerker vom Auftrag zurück?

Es gibt verschiedene Gründe für einen Handwerker, sich von einem Auftrag zurückzuziehen. Unrealistische Erwartungen des Kunden an die fachliche Ausführung oder zu enge Zeitfenster für die Ausführung des Auftrags können den Handwerker veranlassen, die Arbeiten abzubrechen. Auch Zahlungsprobleme auf Kundenseite oder das Ausbleiben von vereinbarten Abschlagszahlungen können den Handwerker dazu veranlassen, vom Auftrag zurückzutreten. Auch schlechte oder unsichere Arbeitsbedingungen können ein Grund sein. Daneben können persönliche Umstände des Handwerkers wie plötzliche Veränderungen der Lebenssituation, gesundheitliche Probleme oder familiäre Verpflichtungen eine Rolle spielen. Auch unerwartete technische Probleme bei der Auftragsabwicklung oder Materialmangel können es unmöglich machen, den Auftrag fortzusetzen.

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Was sind die rechtlichen Grundlagen für einen Werkvertrag und dessen Auflösung?

Die rechtlichen Grundlagen für einen Rücktritt vom Handwerkervertrag sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Die Basis bildet dabei der zwischen Kunden und Handwerker geschlossene Werkvertrag gemäß § 631 BGB, der die Lieferung eines Werks oder ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg gegen eine bestimmte Vergütung festlegt.

Wie bereits oben beschrieben, kann es vorkommen, dass ein solcher Werkvertrag aufgelöst wird. Gemäß § 648 BGB kann der Auftraggeber den Werkvertrag jederzeit kündigen. Der Handwerker hingegen darf nur aus wichtigem Grund kündigen. Beide Vertragsparteien haben das Recht, eine solche Kündigung ohne Einhaltung der üblichen Kündigungsfristen vorzunehmen. Eine Kündigung aus wichtigem Grund ist nach § 648a BGB möglich, wenn “dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur Fertigstellung des Werks nicht zugemutet werden kann”. Die Vergütung kann nur für den bis zur Kündigung geleisteten Teil des Werkes, bzw. der Dienstleistung beansprucht werden.

Welche Rücktrittsmöglichkeiten für Handwerker gibt es ohne Risiko für Schadenersatz?

Einem Handwerker bietet sich die Möglichkeit vom Auftrag zurückzutreten ohne rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. 

Ein solcher ist beispielsweise eine fehlerhafte Vertragsgrundlage: Stellt sich heraus, dass der Vertrag auf falschen oder unvollständigen Kunden-Informationen basiert, ist der Handwerker berechtigt, den Auftrag zu kündigen. 

Material- oder Lieferengpässe, die es dem Handwerker unmöglich machen, die benötigten Materialien oder Werkzeuge zu beschaffen, ohne dass er dafür verantwortlich ist, können ein berechtigter Rücktrittsgrund sein. 

Entsprechen die Arbeitsbedingungen nicht den vertraglichen Vereinbarungen oder gesetzlichen Vorschriften und stellen sie eine Gefahr für die Gesundheit oder Sicherheit dar, ist der Handwerker berechtigt, den Auftrag abzubrechen. 

Auch ein Zahlungsverzug des Kunden stellt einen berechtigten Rücktrittsgrund dar. Um fehlende oder verspätete Zahlungen zu dokumentieren, sollte man stets eine Handwerkerrechnung ausstellen. Bei ausbleibender oder verspäteter Zahlung sind Mahnungen zu versenden, um dies gegebenenfalls später belegen zu können. 

  • TIPP: Protokollieren Sie Kundengespräche und lassen Sie diese vom Auftraggeber bestätigen/unterzeichnen. Zur Absicherung gegen unberechtigte Mängelansprüche sollten Sie die eigene Arbeit stets durch Fotos dokumentieren.

Welche Vertragsbedingungen im Handwerkervertrag sind wichtig?

Ein Handwerkervertrag sollte klare und präzise Klauseln enthalten, die sowohl die Rechte als auch die Pflichten beider Parteien festlegen. Hier sind einige wichtige Punkte, die in einem Handwerkervertrag enthalten sein sollten, besonders in Bezug auf Rücktrittsmöglichkeiten:

Vertragsgegenstand und Leistungsbeschreibung

  • Beschreibung der auszuführenden Arbeiten: Eine detaillierte Auflistung der zu erbringenden Leistungen, um Missverständnisse zu vermeiden.
  • Materialien und Qualität: Angabe der zu verwendenden Materialien und der erwarteten Qualität der Arbeit.

Vergütung und Zahlungsmodalitäten

  • Vergütung: Die genaue Höhe der Vergütung und eventuelle Abschlagszahlungen.
  • Zahlungsfristen: Festgelegte Fristen, innerhalb derer Zahlungen zu leisten sind.
  • Rechnungsstellung: Details zur Rechnungsstellung und -überprüfung.

Kündigungsrecht des Auftraggebers (§ 648 BGB)

  • Jederzeitiges Kündigungsrecht: Der Auftraggeber kann den Vertrag jederzeit kündigen, muss jedoch die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen zahlen.

Kündigungsrecht des Handwerkers aus wichtigem Grund (§ 648a BGB)

  • Wichtige Gründe: Definition von wichtigen Gründen, die den Handwerker zur Kündigung berechtigen (z.B. Zahlungsverzug des Auftraggebers, unzumutbare Arbeitsbedingungen).
  • Verfahren: Ablauf der Kündigung aus wichtigem Grund, inklusive Mitteilungsfrist und Dokumentationspflicht.

Gewährleistung und Mängelhaftung

  • Mängelrügen: Verfahren zur Mängelrüge und Nachbesserung.
  • Gewährleistungsfristen: Festlegung der Gewährleistungsfristen und der entsprechenden Rechte des Auftraggebers.

Vertragsstrafen und Schadensersatz

  • Vertragsstrafen: Bedingungen, unter denen Vertragsstrafen verhängt werden können.
  • Schadensersatz: Regelungen zum Schadensersatz bei Nichterfüllung oder mangelhafter Erfüllung des Vertrags.

Höhere Gewalt

  • Definition: Klauseln, die Ereignisse höherer Gewalt (z.B. Naturkatastrophen) und deren Auswirkungen auf den Vertrag regeln.
  • Verlängerung der Fristen: Festlegung von Fristverlängerungen oder Aussetzungen der Vertragserfüllung bei höherer Gewalt.

Was für Folgen hat ein Rücktritt vom Handwerkervertrag?

Ein Rücktritt vom Handwerkervertrag kann unterschiedliche Konsequenzen haben, abhängig von den spezifischen Umständen und den vertraglichen Vereinbarungen. Einige mögliche Folgen sind:

Widerrufsrecht: Verbraucher haben in der Regel ein 14-tägiges Widerrufsrecht, wenn der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Handwerkers geschlossen wurde. Dieses Recht kann sich auf bis zu ein Jahr verlängern, falls der Handwerker nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht informiert hat.

Abwicklungsverhältnis: Wenn der Verbraucher innerhalb der Widerrufsfrist vom Vertrag zurücktritt, wird das Vertragsverhältnis in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt. Das bedeutet, dass beide Parteien die bereits erbrachten Leistungen zurücknehmen und die bereits erhaltenen Zahlungen zurückerstatten müssen.

Kündigung: Bei einer berechtigten Kündigung des Vertrags hat der Handwerker das Recht, die vereinbarte Vergütung abzüglich der eingesparten Aufwendungen zu verlangen.

Vertragsstrafe: In einigen Fällen kann der Vertrag eine Vertragsstrafe für den Rücktritt vorsehen.

Es ist wichtig, die genauen Vertragsbedingungen und die geltenden gesetzlichen Regelungen zu berücksichtigen. Bei Unsicherheiten ist es ratsam, einen Anwalt zu konsultieren, um Klarheit über die eigenen Rechte und Pflichten zu erhalten.

Wie sollte ein Handwerker mit dem Kunden kommunizieren, wenn er vom Vertrag zurücktreten will? à Musterbrief

Eine gute Kommunikation mit dem Kunden ist wichtig, um professionell und erfolgreich vom Vertrag zurückzutreten. Klarheit und Präzision helfen, Missverständnisse zu vermeiden. Es ist ratsam, die Gründe für die Beendigung des Werkvertrages dem Kunden offen und nicht konfrontativ zu erläutern. Die Bedingungen für einen Rücktritt vom Auftrag sollten schließlich gemeinsam und transparent verhandelt werden.

Der konkrete Fall

Ein Privatkunde beauftragte einen Elektriker mit der Erneuerung der Hausinstallation. Das Unternehmen versäumte es jedoch, den Kunden über sein Widerrufsrecht zu informieren. Obwohl der Handwerker die Arbeiten vollständig ausführte, weigerte sich der Kunde zu zahlen und widerrief stattdessen den Vertrag. Der Streit landete schließlich vor dem Landgericht Essen, der private Kunde bekam Recht. Der Elektriker legte Revision ein, das Verfahren ging bis zum Europäischen Gerichtshof.

Das EuGH-Urteil: Der Europäische Gerichtshof entschied zugunsten des Kunden und befreite ihn von jeglicher Zahlungspflicht. Gemäß Artikel 14 Absatz 5 der Verbraucherschutzrichtlinie (RL 2011/83) dürfen dem Verbraucher keine Kosten entstehen, einschließlich des Wertersatzes. Da die Belehrung über das Widerrufsrecht unterblieben war, muss das Unternehmen das Risiko tragen.Der Elektriker hatte somit mit „rechtlicher Absegnung“ unentgeltlich gearbeitet (Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 17. Mai 2023, Az. C-97/22).

  • Hier finden Sie einen Musterbrief, den Sie als Handwerker verwenden können, wenn Sie von einem Vertrag zurücktreten möchten. 

Schon gewusst?

  • Neue Regeln für Widerrufsbelehrungen

    Seit Mai 2022 gelten neuen Regeln für die Widerrufsbelehrung.

Welche Alternativen zu einem Rücktritt vom Handwerkervertrag gibt es?

Es stehen verschiedene Alternativen zu einem Rücktritt vom Handwerkervertrag zur Verfügung, die eine zufriedenstellende Lösung für beide Parteien – Kunde und Dienstleister – bieten können:

  • Vertragsänderung: Beide Parteien können eine Anpassung oder Änderung des Vertrages vereinbaren, sei es beim Umfang der Arbeiten, dem Zeitrahmen oder dem Preis.
  • Nachbesserung: Entspricht die Arbeit nicht den Erwartungen, kann der Kunde Nachbesserungen verlangen. Dies gibt dem Handwerker die Möglichkeit, die Mängel zu beheben.
  • Vergleich: Beide Seiten können einen Vergleich aushandeln, bei dem der Kunde eventuell weniger zahlt und der Handwerker die Arbeiten nicht weiter fortsetzt.
  • Kündigung in beiderseitigem Einvernehmen: Eine einvernehmliche Vertragskündigung kann Streitigkeiten verhindern, indem beide Parteien sich auf eine Beendigung des Vertrages einigen.
  • Stundung oder Zahlungsplan: Bei finanziellen Schwierigkeiten kann dem Kunden eine Stundung oder ein Zahlungsplan eingeräumt werden.
  • Mediation: Ein Mediator als neutrale dritte Partei kann helfen, die Streitigkeiten zu schlichten und eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden.
  • Garantie oder Gewährleistung: Der Kunde kann die gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Garantie oder Gewährleistung in Anspruch nehmen, um Mängel kostenfrei beheben zu lassen.

Unser Service für Sie 

Wir haben für Sie eine Checkliste zur Angebotserstellung und Tipps zur Preisgestaltung zusammengestellt, damit Sie als Handwerker immer auf der sicheren Seite sind und optimal mit Ihren Kunden arbeiten können. 

 

Welche präventiven Maßnahmen kann ein Handwerker ergreifen, um nicht vom Vertrag zurückzutreten?

Ein Handwerker kann eine Reihe von präventiven Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass es nicht zu einem Vertragsrücktritt kommt:

Ein klares und vollständiges Angebot kann sicherstellen, dass es zwischen Kunden und Handwerkern keine Missverständnisse über die zu erledigenden Arbeiten entstehen. Die einzelnen Positionen und Leistungen sollten deutlich beschrieben sein. Damit wird sichergestellt, dass auch bei eventuellen Änderungen des Leistungsumfangs eine korrekte Abrechnung gewährleistet ist.

Ein Vertrag zwischen Handwerker und Kunde sollte umfassend und präzise sein und alle wichtigen Aspekte wie Leistungen, Zeitplan, Kosten und Zahlungsbedingungen eindeutig festhalten. Dies hilft, mögliche spätere Unklarheiten und Streitigkeiten zu vermeiden.

Eventuelle Probleme oder Verzögerungen sollten zeitnah kommuniziert werden, um gemeinsam mit dem Kunden nach Lösungen zu suchen.

Ein effizientes System zur Behebung von Mängeln (Mängelmanagement) stellt sicher, dass alle Arbeiten den gewünschten Standards entsprechen und Kundenbeschwerden schnell bearbeitet werden.

Durch Zwischenzahlungen oder Anzahlungen kann sichergestellt werden, dass die Liquidität auch bei Projektänderungen oder Verzögerungen gewährleistet ist.

Eine goldene Regel zum Schluss: Die Zufriedenheit Ihrer Kunden sollte stets im Mittelpunkt stehen. 

Die auf dieser Website enthaltenen Angaben basieren auf Marktrecherchen und wurden sorgfältig ausgearbeitet. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine solche nicht ersetzen, sondern dienen lediglich der allgemeinen Information. Es besteht keine Gewähr auf Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität. Bei enthaltenen Links handelt es sich stets um dynamische Verweisungen, deren Inhalte wir nicht ständig prüfen können. Wir übernehmen daher keine Haftung. Stand: Februar 2025

Marc Thamm, UProduct Head Technology & General Liability bei Hiscox

Autor: Marc Thamm, Product Head Technology & General Liability

ist seit 1992 in der Versicherungsbranche – seit 2004 mit Fokus auf IT-Risiken – tätig. Er arbeitet seit 2013 bei Hiscox. Als Product Head Technology & General Liability bei Hiscox entwickelt er Versicherungslösungen für die IT-, Media- und weitere Branchen der Digitalwirtschaft. -Im Bereich Business Tipps & Insights schreibt er unter anderem über das spannende Thema Projekt-Risiken.

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